Die Römerbrücke in Bürgel

Motivation:

  1. Was hat die Saalburg mit der Römerbrücke in Bürgel und dem Kastell in Stockstadt gemeinsam ?
  2. Welche Bedeutung hatte die Lange Meile, die die Saalburg mit Bad Homburg verband ?
  3. Woher kommt der Name "Bürgel"?
  4. Gab es ein Kastell in der Nähe der Römerbrücke?

Im Rahmen meiner Arbeit „Römische Straßen und vorrömische Wege im Bereich des Limes“ sind mir einige Besonderheiten aufgefallen, die einer näheren Betrachtung Wert sind, u.a. die Römerbrücke in Bürgel , die ich an dieser Stelle detaillierter betrachten möchte.

Römerstraßen und Keltenwege in der Wetterau - Römerbrücke in Bürgel (Karte von Bernhard Schwade).

Römerstraßen und Keltenwege in der Wetterau (eigene Erstellung)

Die Römerbrücke in Bürgel lag auf direktem Weg zwischen dem Kastell in Stockstadt am Main und der Saalburg - Teilstück eines vorgeschichtlichen Fernweges, der von der Donau zur Nordsee führte. Weiterhin lag sie auf der kürzesten Verbindung zwischen den beiden römischen Siedlungen in Dieburg (Verwaltungsmittelpunkt der Civitas Auderiensium) und Friedberg (römisches Militärlager auf dem Burgberg, das im Zuge der Feldzüge des Germanicus errichtet und unter der Regierung Kaiser Vespasians 69-79 erneut errichtet wurde).

Römerstraße Höchst - Hanau

Ein ersten Hinweis für einen Main-Übergang bei Bürgel findet sich auf der Skizze des Limes- und Altwegeforschers Georg Wolff. Es handelt sich dabei um die Römerstraße, die von Höchst über den Frankfurter Domhügel und Fechen-heim nach Bürgel und danach südlich des Mains nach Hanau führte.


Erster Hinweis auf einen Main-Übergang

In Bürgel selbst sind eine Furt und eine Römerbrücke überliefert. Bei näherer Betrachtung gibt es eine Reihe von Indizien, die von einer regen Nutzung dieses Überganges zeugen.

Römerstraße Feldberg - Bürgel

Die Strecke Feldberg - Nida (eine ehemalige keltische Siedlung und der Hauptort der römischen Civitas Taunensium) ist ein alter Keltenweg, der später von den Römern überbaut wurde. Er ging von der Passhöhe Rotes Kreuz (Standort des Feldberg Kastells) an den Keltensiedlungen auf dem Altkönig und Hühnerberg vorbei (Pflasterweg, Haderweg) nach Nida und verlief von dort über Eschersheim und dem Frankfurter Hauptfriedhof geradlinig zur Main-Furt in Bürgel. Dort gab es bereits erste Siedlungsspuren aus der Steinzeit, aber auch zahlreiche Funde aus keltischer Zeit lassen auf eine lange Besiedlung vor den Römern schließen (u.a. keltisches Wagengrab von Rumpenheim).


Die Strecke Feldberg - Nida - Bürgel

In römischer Zeit befand sich in Nähe der Römerbrücke eine Siedlung - viele Grabbeigaben konnten auf dem nahe gelegenen römischen Gräberfeld sichergestellt werden.



Denkschrift 100 Jahre Eingemeindung Bürgel


Römerstraße Saalburg - Bürgel

Die Lange Meile oder auch Homburger Langmeil ist eine historische, schon in vor-römischer Zeit benutzte Altstraße, die von Frankfurt-Preungesheim über die Niddabrücke bei Frankfurt-Bonames zur Saalburg führte. Diese recht gradlinige Verbindung verlief NNW-wärts zum Taunus. Südlich von Preungesheim führte sie über Bornheim an den Osthafen (Bodenweg, An den Röthen, Preungesheimer Straße).



Die Lange Meile von der Saalburg über Homburg nach Preungesheim

Beide Strecken dürften sich mit hoher Wahrscheinlichkeit an der Berger Straße in Bornheim getroffen haben. Von dort sind drei Römerstraßen überliefert  - eine zum Main-Übergang in Bürgel, eine andere zum Frankfurter Osthafen und die dritte zum Frankfurter Domhügel (die heutige Berger Straße).


Römerstraße Butzbach - Bürgel

Darüberhinaus bestand eine direkte Verbindung zwischen Butzbach und Bürgel. die bereits in vorrömischer Zeit von Friedberg über die Höhen nach Bad Vilbel und Bergen lief und von den Römern leicht nach Osten verlegt wurde und über die römische Siedlung in Okarben führte. Die nördliche Verlängerung dieser Verbindung verlief als alte Zinn und Bernsteinweg (spätere Weinstraße) über Gießen - Marburg - Korbach - Paderborn - Porta Westfalica - Weserfurt bei Rehne nach Bremen. Die südliche Verlängerung führte von Bürgel zur Römersiedlung in Dieburg (Verwaltungszentrum der Civitas Auderinensium).



Die Strecke Butzbach - Friedberg - Bergen - Bürgel

Aufgrund der Topologie entwickelten sich unterschiedliche Pfade zwischen Bergen und Vilbel.


Römerstraße Arnsburg - Bürgel

Beim Begehen der Römerstraße * südlich von Münzenberg ist mir aufgefallen, dass diese Straße gleichfalls auf den Main-Übergang in Bürgel ausgerichtet ist. Unter Berücksichtigung der Topographie und überlieferten Altwegen entsteht eine vollkommen neue Route. Sie verläuft durchgehend auf den Höhen östlich der Wetter und geht vom Kastell Arnsburg über Trais-Münzenberg, westlich von Melbach und Wölfersheim und östlich von Dorheim, Bauernheim, durch das Ossenheimer Wäldchen, Ilbenstadt, Burg-Gräfenrode, Rendel, Nieder-Dorfelden und Bergen nach Bürgel. Von dieser Route zweigt die Berger Straße ab, die zur Main-Furt nach Frankfurt führte. Noch heute heißt die Parallelstraße zur Berger Straße, die sich mit dieser in Bornheim-Mitte vereinigt, Arnsburger Straße.


Der Höhenweg westlich der Nidda und Wetter

In Höhe des Kastells Arnsburg verzweigt der Weg in eine nördliche Richtung über Amöneburg und Fritzlar nach Kassel und in eine nord-östliche Richtung anfänglich als Heerweg zwischen der Wetter und der Horloff nach Grünberg und von dort über Thüringen bis zur Elbe (in Butzbach und Hungen als Leipziger Straße bekannt).



Der Heerweg bei Arnsburg

Wegesituation südlich des Mains ...



Fundstellen in Offenbach (Lokationen sind leicht verschoben, um die denkmalsgeschützten Fundorte zu schützen)



Fundstellen in Offenbach mit eingezeichneten Wegen

Römerstraße Bürgel - Dieburg

Unter anderem lässt sich die Römerstraße Bürgel - Dieburg in der Gemarkung Eppertshausen nachweisen.


Römerweg Bürgel - Dieburg in der Gemarkung Eppertshausen


Römerstraße Bürgel - Stockstadt am Main

Von der Bürgeler Mainbrücke führte eine weitere Römerstraße südöstlich über den Bieberer Berg und von Bieber entlang des alten Dohnweges zur Ortsmitte von Obertshausen und von dort weiter zum Kastell in Stockstadt.

Wikipedia.de - Civitas Auderiensium

Von dort bestand Anschluss an den hinteren Odenwaldlimes d.h. über Obernburg nach Bad Wimpfen und von dort entlang des Neckars nach Cannstatt und Köngen.  Von dort führte eine Route über Urspring nach Augsburg. Die südlichen Routen führten nach Bregenz an den Bodensee oder entlang der Alb-Neckar-Straße über Rottenburg, Rottweil, Hüfingen in die Schweiz (Windisch). Über den vorderen Odenwaldlimes bestand Anschluß nach Augsburg bzw. Kempten. Von Bregenz, Windisch und Kempten gab es entsprechende Römerstraßen über die Alpenpässe nach Norditalien.



Handelswege zur Römerzeit (Schematische Darstellung)


Quellen zur Römerbrücke in Bürgel (von Harald Haarstark)

Auch wenn sich die Römerbrücke aufgrund der Main-Ausbaggerung heutzutage nur noch sehr schwer nachweisen lässt, gibt es schriftliche Indizien. So berichtet Cohausen im Jahrbuch des Vereins für Nassauische Annalen (im Zwanzigsten Band im Jahr 1888) : Nachdem die Wasserbaubehörden die Überreste von solchen Brücken bei Groß-Krotzenburg und bei Steinheim und auch bei Höchst entdeckt haben, können wir jetzt zurückkommen auf eine vierte bei Bürgel, auf deren Existenz Herr Dr. Lotz vor 2 oder 3 Jahren hingewiesen, indem er die Strassen angab, welche von der Nidda zu diesem Punkte hinliefen und jene Brücke zur Voraussetzung hatten. Von dieser Mainbrücke hat nun Herr Friedrich Koffler Mauerreste, die auf Pfählen ruhen, bei Bürgel, 20 bis 25 Schritt vom rechten Ufer, nachgewiesen. Vom Schiffer gefürchtet, werden sie von ihm eiserner Mann genannt (Anm: eisener Pfahlschuh zur Verankerung der Holzpfähle. Ein ähnlicher römischer Pfahlschuh wurde auch bei der Römerbrücke Schwanheim-Griesheim gefunden.). Auch dem linken Ufer näher soll ein solcher Mauerklotz vorhanden sein. Von dieser Stelle führen Wege nach Hanau, Seligenstadt und Dieburg, die auf alten Römerwegen zu liegen scheinen.

Die Römerstraßen laufen von zahlreichen Stellen direkt auf diesen Punkt am Main zu und auch Alfred Kurt hat sie erwähnt und geht von ihrer Existenz aus.

Anm. bs: In der Zwischenzeit scheint sich die Existenz der Brücke geklärt zu haben: Die Pfahlspitzen aus Eiche existieren noch im Offenbacher Stadtmuseum.

Herkunft des Namens "Bürgel"

Entgegen der Herleitung des Heimatforschers Karl Nahrgang, dass der Name Bürgel bereits keltischen Ursprungs (Bergilla) sei, muß bei genauerer Untersuchung von einer anderen Namensherkunft ausgegangen werden. Auch wenn zahlreiche Funde aus keltischer Zeit auf eine lange Besiedlungszeit des heutigen Ortes schon vor den Römern schließen lassen, ist der Ortsname nicht keltischen Ursprungs.

Auffallend ist der Wortstamm Burg, auch wenn in Bürgel heutzutage keine Burg mehr überliefert ist.

Vergleichende Untersuchungen mit Orten gleichen Namens hingegen weisen immer den Bezug zu einer Burg auf. Umgangssprachlich war mit Bürgel die Burgstall d.h ‚die Stelle, wo ehemals eine Burg gestanden hat‘ gemeint. Während sich der Begriff Burg auf das Gebäude selbst bezieht, ist der Begriff Bürgel die Bezeichnung für einen Ort an dem ehemals eine Befestigung gestanden hat.

So finden sich in unterschiedlichen Abfassungen zum Thema Namenskunde: Als Bürgel bzw. Burgstall (Singular der Burgstall, Plural die Burgställe, altertümlich die Burgstähl, auch Burgstelle, Altburgstelle) wird in der Burgenkunde eine Burg bezeichnet, von der noch weniger erhalten ist als eine Ruine. Die Fachliteratur kennt zudem den Begriff abgegangene Burg, der meist mit der Bezeichnung „Burgstall“ gleichzusetzen ist. Heute erinnert oft nur ein Flurname wie "Alte Burg", "Bürgel", "Burgweg" oder "Schloßberg" an diese sogenannten Burgställe.

Einige Beispiele

  1. Im Bereich der Altstadt von Bürgel (Thüringen) auf dem südlich gelegenen Georgenberg lag eine Befestigung, von dem die Stadt ihren Namen erhielt.
  2. Römerkastell "Haus Bürgel" in Monheim in der Nähe von Dormagen
  3. Burg Aggstein bzw. das „Rote Bürgel“, mit der ersten Handschuhsheimer Burg
  4. Schloss Bürgel in Schliegen (Anlage auf den Fundamenten einer alten Burg)
  5. Bürgelkopf im Taunus (Bergkuppe auf dem sich eine keltische Ringwallanlage befand)
  6. Peterberg in Markt Bürgel (Marktbergel) - nachgewiesene germanische Stammessiedlung
  7. Häufig auch in Zusammenhang mit römischen Befestigungen (Haus Bürgel, Weißenburg-Alesheim, Burgus)
  8. „Im alten Bürgel“ als Weinberg-Name unterhalb der Burg in Flörsheim-Dalsheim
  9. Hügel im Ort Buch, welcher von den Einwohnern „Bürgel" (Burg - Stelle) genannt wird, er ist die „Stätte eines Römer-Turms"
  10. Die Bürgeler Steige - sie war der wichtigste Durchgangspaß für den Fernverkehr vom Main über die fränkische Hochebene zur Donau.

Spinnen wir den Faden mal weiter:

Der Name läßt auf das Vorhandensein einer ehemaligen Burg/Befestigung in OF-Bürgel schließen. Diese muß bereits vor 800 n Chr. abgegangen sein, da der Ortsname Bürgel im Jahr 790 im Lorscher Codex urkundlich erwähnt wird.

In der Regel wurden die römischen Brücken von in der Nähe liegenden Kastellen überwacht. So sind u.a. Kastelle an den Mainübergängen in Steinheim, Groß-Krotzenburg und Mainz-Kastell nachgewiesen. Es wäre daher nicht unwahrscheinlich, dass auch die Römerbrücke in Bürgel von einem Kastell überwacht wurde. Ein möglicher Standort wäre das Gelände des späteren Stifthofes/kath. Kirche. Römische Mauern konnten unterhalb des Stifthofes in 3 Meter Tiefe unter dem heutigen Niveau nachgewiesen werden.

Ein weiterer möglicher Standort ist etwas nördlich davon gelegen.

An dieser Stelle ist Vorsicht geboten. Die Bodenstrukturen geben erste Indizien, sind aber ohne eine genauere Untersuchung für sich allein genommen wertlos.

Für den zweiten Standort spricht neben den Bodenstrukturen und der Nähe zur Römerbrücke auch der in unmittelbarer Nähe liegende römische Bestattungsplatz am Mittelweg und die Lage auf einer ehemaligen Main-Insel.

Aber genau dieses Gelände ist derzeit durch eine geplante Hochwasserschutzmaßnahme akut bedroht.

Weitere Planungen sollten nicht ohne eine systematische Untersuchung des Geländes vorgenommen werden !